ab Mai 2020 Ausstellung im Zentrum für verfolgte Künste, Solingen „Aus der Isolation“ + Presse
Haaner Treff 15.07.2020
Web Seite Zentrum für verfolgte Künste https://verfolgte-kuenste.com
Im März 2020 änderte das Corona-Virus plötzlich unsere Leben. Isolation und Vereinzelung trafen jede*n. Das kollektive Miteinander erodierte binnen weniger Stunden. Das Museum Zentrum für verfolgte Künste Solingen hat umgehend sein Programm umgestellt und Künstler*innen eingeladen, ihre individuellen Erfahrungen der Isolation schöpferisch zu verarbeiten. Sechs Positionen finden sich nun unter dem Titel AUS DER ISOLATION bei uns im Museum ausgestellt im Dialog mit Werken unserer Sammlung und ab Juni weitere Werke in einer ergänzenden Online-Präsentation.
Das wesentliche Motiv der Kunstwerke unserer Sammlung sind Grenzerfahrungen, wie Emigration, Flucht, Vertreibung, Verlust der bürgerlichen Freiheitsrechte und Isolation. Ohne das Damals mit dem Heute gleichsetzen zu wollen, möchten wir Parallelen künstlerischer Zugänge dazu nutzen, Wege AUS DER ISOLATION in die Freiheit zu zeigen und zu erörtern, mit welchen Strategien derlei Grenzerfahrungen verarbeitet werden können.
Mit Blick auf das Gegenwärtige zeigen wir aus der Vergangenheit insbesondere Werke von Oscar Zügel, Carl Rabus und Felix Nussbaum.
Mit ihnen in Dialog treten Karikaturisten wie der iranische Exilant Kianoush oder der israelisch-französische Cartoonist Michel Kichka, dessen Vater, der 94-jährige Holocaust-Überlebende Henri, am 24. April 2020 in einem Brüsseler Altenheim an Covid-19 gestorben ist.
In der Literatursammlung zeigt Detlef Bach sein bildgewaltiges Corona Tagebuch. Tatiana Feldmans Videoinstallation gibt einen Vorgeschmack auf ihre kommende Performance und zeigt die Künstlerin im beengten Raum ihrer Wohnung zwischen ihren Gemälden – ebenfalls in der Ausstellung – mit der Isolation hadern. Fabian Nettes Fotografien nehmen Vereinzelung und Abgeschnittenheit in den Fokus. Peter Wischnewskis abstrakte Malerei zeigt im großen Format, wie viel Schaffenspotential in der Krise freigesetzt werden kann. Birgit Pardun, deren Malerei normalerweise ebenfalls großformatig Wände füllt, hat ihrerseits nun Puzzle damit gestaltet, die den Besucher*innen einen typischen Zeitvertreib der ungewollten Vereinzelung – und steten Wiederzusammenführung – aufzeigt. Das Duo schneider+mombaur (Güdny und Wolfram Schneider-Mombaur) realisiert mit Spiegelgasse als letztes fehlendes Puzzle-Teil eine Installation im Außenbereich.
Masken – seit jeher Artefakte in nahezu jeder Kulturtradition – verknüpft indes die Teilausstellung Maske und Maskerade. Zwischen Kunst und Quarantäne mit zeitgenössischen Maskeraden, wie den mannigfaltigen Reaktionen auf Hashtags wie #tussenkunstenquarantaine. Das Spiel aus Vermummung und Verwandlung, Verhüllung und Transformation zeigt
sich in den hier ausgestellten Beispielen unserer Sammlung und auf unseren digitalen Kanälen, auf denen Besucher*innen Aufnahmen ihrer tableaux vivants unserer Exponate teilen.
Mit AUS DER ISOLATION kehrt das Museum Zentrum für verfolgte Künste zurück aus der digitalen Welt in analoge Kommunikationsräume: Besucher*innen können im Museum u.a. die Werke sehen, die wir in den letzten Wochen in unseren Podcasts vorgestellt haben und auch in Zukunft weiter wöchentlich auf diesem Wege präsentieren werden. Kehren wir so zurück in die Realität mit Mascha Kaléko, Lee Miller und anderen Künstler*innen.
Kuratiert von Birte Fritsch und Jürgen Kaumkötter.
Rheinische Post, 14.06.2020
14. Juni 2020
Ausstellung
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Corona-Kunst: Aus der Isolation hinein ins Zentrum
Künstler-Duo und Spiegelgasse im Zentrum für verfolgte Künste. Güdny und Wolfram Schneider-Mombaur in einer Fotocollage vor ihrer Spiegelinstallation am Museumsbau in Gräfrath. Foto: Güdny Schneider-Mombaur
Solingen/Haan Das Zentrum für verfolgte Künste Solingen zeigt Werke aus der Corona-Zeit. Vertreten ist auch das Haaner Künstler-Duo Schneider und Mombaur. Güdny und Wolfram Schneider Mombaur haben ein blindes Fenster des Museums verspiegelt und an der Wand gegenüber den titelgebenden Schriftzug angebracht.
Von Fred-Michael Tesch
Nachdem feststand, dass das Zentrum für verfolgte Künste in Solingen aufgrund der Corona-Pandemie sein reguläres Ausstellungsprogramm für 2020 nicht würde durchführen können, fassten Museumsdirektor Jürgen Kaumkötter und Kuratorin Birte Fritsch den Entschluss, stattdessen im Bergischen Städtedreieck lebende Kreative in dieser schwierigen Situation zu unterstützen. Das Zentrum rief deshalb in Form einer offenen Ausschreibung alle Solinger, Remscheider und Wuppertaler Künstler dazu auf, „die Zeit der Isolation, des Abgeschnittenseins, der womöglich erfahrenen Vereinsamung und existenziellen Sorgen künstlerisch zu dokumentieren und zu verarbeiten“.
Aus den eingereichten Bewerbungen hat eine Jury sechs Positionen ausgewählt, die jetzt unter dem Titel „Aus der Isolation – ein künstlerischer Dialog“ bis zum 13. September im Zentrum für verfolgte Künste zu sehen sind. Die Wahl fiel auf die Künstler Detlef Bach, Tatiana Feldman, Fabian Nette, Birgit Pardun, das Duo Schneider+Mombaur und Peter Wischnewski. Alle durften sich neben der Aufnahme in die Ausstellung auch über ein Preisgeld von jeweils 500 Euro freuen. „Durch Ausstellungsabsagen frei gewordene Mittel wollen wir als Beihilfe einsetzen“, sagt Museumsleiter Kaumkötter, der zusammen mit Birte Fritsch „Aus der Isolation“ kuratiert hat.
INFO
Gestorben an Covid-19
Vertreten in der Ausstellung ist auch der israelisch-französische Cartoonist Michel Kichka. Sein Vater, der 94-jährige Holocaust-Überlebende Henri, ist am 24. April in einem Brüsseler Altenheim an Covid-19 gestorben.
verfolgte-kuenste.com
„Herausgekommen ist eine ernste, aber manchmal auch amüsante Ausstellung“, beschreibt Kaumkötter die Präsentation der Arbeiten, die im Gräfrather Museum in den Dialog mit Werken aus der Sammlung des Zentrums treten. „Mit Blick auf das Gegenwärtige zeigen wir aus der Vergangenheit insbesondere Werke von Oscar Zügel, Carl Rabus und Felix Nussbaum“, merkt Kaumkötter an. Denn: „Das wesentliche Motiv der Kunstwerke unserer Sammlung sind Grenzerfahrungen, wie Emigration, Flucht, Vertreibung, Verlust der bürgerlichen Freiheitsrechte und Isolation.“
Eines der ungewöhnlichsten Projekte, die für die Schau „Aus der Isolation“ vom Zentrum realisiert wurde, ist die den (Museums)Innenraum mit dem Blick nach außen verbindende Installation „Spiegelgasse“ des Duos Schneider+Mombaur, die beide vor wenigen Jahren auch die Installation „Der Himmel über Haan“ am Giebel des Haaner Rathauses schufen. Güdny und Wolfram Schneider Mombaur haben ein blindes Fenster des Museums verspiegelt und an der Wand gegenüber den titelgebenden Schriftzug angebracht. Ein großes Fenster im Übergang zum oberen Ausstellungssaal bietet den besten Blick auf die Installation. Mit dem Titel Spiegelgasse verweisen Schneider+Mombaur auf die Adresse des Cabaret Voltaire in Zürich – den Gründungsort der Dada-Bewegung. „Auch Dada gab einer unsicheren Zeit künstlerischen Ausdruck“, beschreibt das Künstlerduo sein Konzept.
Solinger Morgenpost, 06.06.2020
Solinger Tageblatt, 06.06.2020
Solinger Tageblatt, 06.05.2020
Von Philipp Müller
In der laufenden Ausstellung „Aus der Isolation“ im Zentrum für verfolgte Künste hängt eine Karikatur des Solingers Marcus Gottfried. Am Tresen einer Kneipe wagt ein Gast eine kühne These: „Seit der Corona-Krise hat Deutschland pro Kopf einen Einwohner.“ Der Kumpel kontert: „Lügenpresse.“ Das drückt die oft als absurd empfundene Gesamtsituation aus: Tresen sind immer noch geschlossen. Natürlich hat jeder Einwohner nur einen Kopf. Und doch werden einfache Zusammenhänge nicht so einfach geglaubt.
Das beschreibt zugleich das Spannungsfeld, in dem sich bildende Künstler seit Mitte März bewegen. Wie empfinden sie das? Das wollten die Kuratorin des Zentrums, Birte Fritsch, und Direktor Jürgen Kaumkötter von Künstlern aus der Region wissen. Die Antworten geben sie seit der Wiedereröffnung des Museums im ehemaligen Gräfrather Rathaus.
Die Leitung des Zentrums hatte jetzt alle Künstler zu einer Eröffnung hinter verschlossenen Türen und mit Maske eingeladen – das Absurde hört nicht auf. Und doch war dieses Treffen wichtig. Die Protagonisten von „Aus der Isolation“ konnten sich endlich auch physisch begegnen.
Sie plauderten viel, erzählten, wie ihre Kunst entstand. Detlef Bach aus Wuppertal, Illustrator und Texter, berichtete von gleich 196 kleinen Text- und Bildwerken, die er als Corona-Tagebuch verfasst hat. Jürgen Kaumkötter zeigte sich überwältigt, welche Masse an großen und tollen Ölbildern Peter Wischnewski in der Corona-Zeit geschaffen hatte. „Er hat sie alle angeschleppt. Fünf haben wir ausgesucht.“
„Mein Ziel ist es, zunächst mental durchzuhalten.“
Tatiana Feldman, Performance-Künstlerin
Die Künstler gehen in der Corona-Zeit auch in die Tiefe. Das Multitalent, die Malerin und Tänzerinn Tatiana Feldman aus Wuppertal, erzählte von dem Moment, in dem sie aufhörte, ihre angefangenen Bilder weiter zu malen. Müsse sie sich jetzt schämen? „Nein“, machte sie sich klar: „Mein Ziel ist es, zunächst mental durchzuhalten.“ Diesen Kampf in der Isolation zeigt sie in einer Video-Tanzperformance in ihrer Wohnung. Dazu stellt das Zentrum die inzwischen fertigen Bilder als Kontrast aus.
Nicht nur das. Feldman wird am 20. Juni auch mit ihrer Performance im Zentrum auftreten. Momentan lote man aus, vor wie vielen Besuchern das möglich sein wird, berichtete Birte Fritsch. Detlef Bach halte noch eine Lesung. Und es sei auch noch ein weiteres Konzert mit Liveübertragung ins Internet Mitte August geplant. Die Solinger Band The Pirates of Love hatte bereits zur Spontaneröffnung der Ausstellung gespielt und werde das inhaltlich vertieft in Bezug zur Ausstellung erneut tun, ergänzt Jürgen Kaumkötter.
Die isolierte Eröffnung bot auch Raum für Anekdoten. Güdny Schneider-Mombauer erzählte, wie Anfang der 1990er Jahre Solinger Künstler das leerstehende Rathaus einfach besetzt hätten. Das Deutsche Klingenmuseum sei bereits ausgezogen gewesen. Man sei erst gewichen, als das Kunstmuseum als Museum Baden neu gegründet worden sei.
Jetzt ist wieder die Kunst ins Haus eingezogen. Fritsch und Kaumkötter haben hochwertige Kunst für den Neustart ausgewählt, die mehr als das Thema aufgreift. Das belegt auch der Quervergleich mit den Werken aus dem Depot des Zentrums, die die Facetten der Isolation durch Verbot und Vertreibung während der Nazizeit aufgreift. Auch dem Thema Maske als Maskerade widmet die Schau einen nachdenklich machenden Nebenaspekt. Das alles wird auf der Seite des Zentrums auch in einer Reihe von Podcasts erklärt.
Künstler
Das Duo Güdny Schneider-Mombaur und Wolfram Schneider-Mombaur, Birgit Pardun, Fabian Nette, Tatiana Feldman, Peter Wischnewski und Detlef Bach stellen aus. Kuratiert wurde die Ausstellung von Birte Fritsch und Jürgen Kaumkötter. Die Ausstellung ergänzen aktuelle Karikaturen von Kichka,